Wenn das „Kopfkino“ Veranlassung zur Umkehr ist

Notlandung nach Propellerverlust auf einem kleinen ModellflugplatzInzwischen ist es schon wieder eine ganze Weile her, dass mich eine gebrochene Propellerwelle zu einer Notlandung auf dem kleinen Modellflugplatz von Pocking gezwungen hat. Sechs ganze Wochen sind seither vergangen, so dass der Spuk als „Schnee von gestern“ abgehakt sein müsste. Nachdem die Teile bei mir eingetroffen sind, ist nun auch das Propellergetriebe instandgesetzt, gefolgt von einer wetterbedingten Zwangspause von weiteren zwei Wochen.
Am 19. August 2020 dann der langersehnte erste Werkstattflug, bei dem ich erst einmal im Gleitbereich des Heimatplatzes blieb. Landung nach fünfzehn Minuten Flugzeit, zwecks erster Überprüfung von Motor, Getriebe und Propeller. Alles o.B., keine Undichtigkeiten an den beiden Getriebedeckeln festzustellen. Auch der Propellerflansch sowie der neue Helix-Festpropeller sitzen fest verschraubt auf der Propellerwelle. Zwanzig Minuten später dann der Wiederstart mit merklich reduziertem Puls. Zwanzig Minuten später lande ich erneut zu einer weiteren Kontrolle, sowie zur Nachbetankung für den nächsten und diesmal längeren Flug.

Eine dreiviertel Stunde später bin ich wieder in der Luft und diesmal geht es höher hinauf. In einer Höhe von 4.800 ft/MSL bin ich mit meiner Kilo-Bravo in sicherer Höhe, in der ich Motor, Getriebe und Propeller, ganz in Ruhe ausführlich testen kann. Von Leerlauf bis Vollgas teste ich mehrfach alle Drehzahlbereiche rauf und runter. Nach etwas über einer Stunde bin ich mit meinen Testergebnissen voll zufrieden und lande. Eine letzte Sichtkontrolle gibt mir Gewissheit, dass an meinem Thor jetzt wieder alles in bester Ordnung ist.

Für den nächsten Tag habe ich bereits den ersten Streckenflug mit Landung in Vilshofen, sowie in Sonnen im unteren Bayrischen Wald geplant, den ich schon seit längerer Zeit auf meiner Flugplatzliste habe.

Off Blocks Schärding 10:18 UTC bei idealem Wetter auf „Piste Eins-Vier“. Wie schon die ganze Woche ist es auch an diesem Tag sehr heiß, kein noch so kleines Wölkchen steht am blauen Himmel. Nur die Sonne brennt mit voller Wucht durch meine Cockpithaube. Eigentlich wollte ich ja schon lange das dicke Staurohr an der Schnauze ausgebout und die große Öffnung in einen regelbaren Frischlufteinlass umgebaut haben. Das Ding wird eh schon lange nicht mehr gebraucht, seitdem ich meine ESA TEK-Düse darüber eingebaut habe. Diese Modifikation muss ich demnächst auch endlich einmal angehen, obwohl die Sauhitze der vergangenen Wochen ja bald vorbei sein dürfte. Aber die nächste große Hitzewelle kommt bestimmt, auch wenn das eher erst im kommenden Sommer der Fall sein dürfte.

Inzwischen habe ich die Platzrunde verlassen und ich befinde mich auf direktem Kurs zum 32 km entfernten Flugplatz von Vilshofen. Fünf Kilometer vor mir liegt der Flugplatz Fürstenzell, rechts von mir die Dreiflüssestadt Passau mit der weithin sichtbaren Dominsel am Zusammenfluss von Donau und Inn. Kurze Zeit später überfliege ich Fürstenzell in 3.500 ft/MSL, von wo aus ich den ersten Funkkontakt mit Vilshofen-Info aufnehme. Jetzt gehe ich vom gemächlichen Steigflug in den Reiseflug über, wofür ich die Motordrehzahl weiter reduzieren kann.

Alle Motorparameter auf dem Display meines FlyHenry sind auch weiterhin im grünen Bereich, so dass ich einen stressfreien Flug erwarten kann. Doch dann beschleicht mich plötzlich das unbestimmte Gefühl, verdächtige Vibrationen von Hinten zu verspüren. Alle Sensoren in meinem Körper schalten vom Überwachungs- in den Warnmodus um und ich registriere, wie meine Nervenbahnen eine leicht aufkommende Nervosität an mein Gehirn vermelden. Ich habe das unbestimmte Gefühl eines Déjà-vu von meinem Propellerverlust vor sechs Wochen. Gleiche Symptome, gleiche Höhe und annähernd die gleiche Motordrehzahl.

Doch diesmal kann das alles überhaupt nicht sein, schließlich fliege ich jetzt mit einer nagelneuen Propellerwelle, deren Gewinde für die Propeller-Zentralmutter, von Polini bereits im Juni von M12 auf jetzt M14 verstärkt worden war. Und bei der Überprüfung nach den ersten drei Flügen war schließlich alles in bester Ordnung. Und da ich wie zuvor natürlich auch diesmal sowohl die Zentralmutter wie auch die sechs Propellerschrauben vorschriftsmäßig nach Luftfahrtnorm mit Sicherungsdraht gesichert hatte, können und müssen die Warnsignale meiner Nervenbahnen doch nur Falschalarm bedeuten. Ich versuche es mehrfach mit Drehzahländerungen meines Thor, doch das unbestimmte Gefühl eines losen Propellerflansches bleibt bestehen.

Wie schon beim zuvor verlorenen Prop, sind Zentralmutter und Propellerschrauben auch beim meinem neuen Helix-Festpropeller ordnungsgemäß mit Draht gesichert.
In meinem Kopfkino läuft der Film zum Zeitpunkt des damaliegn Propellerverlustes in einer Endlosschleife ab. Die große Frage ist nun „weiterfliegen oder umdrehen“ und zurück nach Schärding fliegen, oder gar den schnellen Abstieg einleiten und den unter mir liegenden Flugplatz Fürstenzell als Ausweichplatz nutzen? Mein innerer Schweinehund sagt „weiterfliegen nach Vilshofen, schließlich hast du die Getriebereparatur gewissenhaft durchgeführt und alles nach drei Werkstattflügen mehrfach kontrolliert„. Sollte aber trotzdem irgend etwas nicht stimmen, dann stehe ich mit meinem Problem in Vilshofen und bin dort erst einmal aufgeschmissen.

Noch einmal kreise ich im leichten Steigflug großräumig über Fürstenzell, das gibt mir zusätzliche Sicherheit für die weitere Überprüfung mit unterschiedlichen Motordrehzahlen. Dann bin ich mir so gut wie sicher, dass ich mir den ganzen Spuk bisher nur eingebildet habe. Mein Kopfkino hat nur Schabernak mit mir getrieben. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist Motor und Propeller alles in bester Ordnung. Und trotzdem, auf den Weiterflug nach Vilshofen werde ich verzichten und lieber zurück nach Schärding fliegen. Über Funk annuliere ich meine Landeabsicht bei Vilshofen-Info und fliege zurück zu meinem Heimatplatz. Dort lande ich zehn Minuten später wohlbehalten mit einem guten „Bauchgefühl“, trotz vieler Zweifel am Ende doch die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Jetzt will ich aber alles ganz genau wissen. Ist wirklich etwas nicht in Ordnung oder war es lediglich ein falscher Alarm und eine Sinnestäuschung. Also weg mit den Drahtsicherungen und Drehmomente der Zentralmutter sowie der Propellerschrauben noch einmal überprüft. Ergenis: Sowohl das bei der Montage gesetzte Drehmoment der Zentralmutter, wie auch die Drehmomente der Propellerschrauben stimmen mit den Werten überein, wie ich sie bei der Montage gesetzt hatte.

Das Ergebnis meiner Überprüfung hat gezeigt, dass diesmal der ganze Spuk nur eine Sinnestäuschung war. Und da das damalige Erlebnis wohl doch noch nicht zu 100% von meinem Kopf verarbeitet worden war, hat mir mein „Kopfkino“ plötzlich Dinge vorgegaukelt, die nicht der Wirklichkeit entsprochen haben. Doch im Zweifel gilt in der Fliegerei natürlich immer „Safety first“, was unter den gegebenen Umständen für mich nur „Umkehr“ bedeuten konnte. Und obwohl ich den vorgesehenen Flug nach Vislshofen und Sonnen diesmal nicht zu Ende bringen konnte, bin ich mit meiner Entscheidung zur Umkehr und nochmaligen Überprüfung der suspekten Teile voll zufrieden. Der Flugplatz Sonnen läuft mir schließlich nicht davon, dorthin werde ich mich im Laufe der kommenden Woche erneut auf den Weg machen.

„Wenn du das Fliegen einmal erlebt hast, wirst du für immer auf Erden wandeln, mit deinen Augen himmelwärts gerichtet. Denn dort bist du gewesen und dort wird es dich immer wieder hinziehen“ (Leonardo da Vinci)

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