Letzter Flug der Kilo-Bravo

© 2020 UL-Motorsegelflug.de / Klaus BurkhardDas „AUS“ kam letztendlich schneller als befürchtet. Die ganze Saison 2019 war von Anfang bis zum Ende ein einziges „Fehlersuchen – Reparieren – Justieren – Modifizieren – Ausprobieren – Probefliegen – wieder nichts – und nichts als Frust“. Mehrfach bin ich an den Punkt gekommen, an dem ich ernsthaft überlege, endlich einen Schlussstrich zu ziehen und die „Hassliebe zu meiner Kilo-Bravo“ einfach mittels einer großen Flex, zehn Liter Sprit und einem Streichholz, sozusagen „in beiderseitigem Einverständnis -heiß- zu beenden“.  Doch wer mich näher kennt der weiß, dass ich so schnell die Flinte nicht in´s Korn werfe und lange, lange, lange versuche, ein gestörtes Beziehungsverhältnis zu reparieren und wieder auf die richtige Bahn zu bringen.
Angefangen hat der Beziehungsstress zwischen mir und meiner Kilo-Bravo bereits im September 2018, als ich nach der erstmaligen Landung auf dem 30 km entfernten Flugplatz von Vilshofen, die mir unerklärliche, honigartige Ölschmiere auf dem Leitwerk entdecke. Und es hat danach auch einige Zeit gedauert, bis ich endlich hinter das Geheimnis dieses Spuks gekommen bin. Vergaserüberlauf im Flug! Monate später, erst nach der Winterpause 2018/2019, kann ich das Rätsel um die Ölschmiere endlich knacken und das Problem endgültig beseitigen. Und der Grund für die ganze Sauerei war ein verstellter Schwimmer im Vergaser, das war mir zwischenzeitlich klar geworden. Unwissenheit und „versacktes 2-Takter-Wissen“, gepaart mit fehlender, weil über Jahrzehnte nicht mehr geübter 2-Takter-Praxis im Laufe der vergangenen 50 Jahre. Inzwischen ist dies aber Schnee von gestern, jetzt bin ich diesbezüglich wieder „wissend“ und geprägt durch einschlägige Erfahrungen der letzten Monate, „auf dem neuesten Stand der 2-Takt-Technik“.
Doch kaum ist zu Beginn der Flugsaison 2019 die Schwimmerproblematik abgehakt, kündigt sich auch schon das nächste Problem durch überraschend starke Stromschläge am Instrumentenbrett und am Rettungsgeräte-Auslösegriff an. Probleme sind aber dazu da gelöst zu werden, nicht um an ihnen zu verzweifeln oder gar zu scheitern. So ist auch dieses Thema nach langer Sucherei und vielen Gesprächen mit Peter Schneider und Christian Reuter, irgendwann zufriedenstellend und (hoffentlich) für immer gelöst.
Doch irgend wie will um´s Verrecken keine Flugbetriebsroutine einkehren, schon ist der nächste dicke Hund im Anmarsch. Vergaser- und Motorprobleme der übelsten Sorte, an denen ich mir bis zum Saisonschluss 2019 die Zähne ausbeißen sollte. Trotz allem: Aufgeben ist für mich natürlich keine Option, auch wenn ich manchmal wirklich nicht mehr weiter weiß und vor Zorn laut schreien könnte.
Beim Zählen meiner Flugeinträge im Flugbuch komme ich für 2019 zwar auf eine stattliche Anzahl von 44 Flügen, von denen 41 allerdings im engsten Platzbereich von Schärding stattgefunden haben. Werkstattflüge mit i.d.R. Landung aus ungewohnter Position und aus meist niedriger Höhe, gepaart mit plötzlichem und unerwartet stehendem Triebwerk nach vorausgegangenem „Asthma- oder Hustenanfall“ des Polini-Thor in meinem Rücken.

In meinem gesamten und fast 50-jährigen Fliegerleben habe ich noch nie so viele Landungen aus ungewohnter Position gemacht, wie in der Flugsaison 2019. Na gut – in positiver Grundhaltung hake ich 2019 eben unter „geballte Ladung Flugerfahrung mit hohem Lerneffekt“ ab. Schließlich kann man an negativen Ereignissen und Tiefschlägen ja auch wachsen!
Nach jedem noch so frustrierenden Rückschlag kommt auch immer wieder der ungebrochene Wille in mir hoch, den mir noch unbekannten und zutiefst verfluchten Fehlerteufel doch noch zu besiegen, der irgendwann einmal in meinen Thor gefahren war.
Da ich jedoch im Ritual der Teufelsaustreibung absolut unerfahren bin und ein Verkauf des Satansbratens in dieser Situation natürlich erst recht keine Option darstellt, geht die Suche nach dem Fehlerteufel unentwegt und mit Hochdruck weiter. Die zweite und finale Lösung, dem Grauen mittels einer großen Flex, 10 Liter Sprit und einem Feuerzeug ein Ende zu bereiten, die ist natürlich schon aus Umweltgründen äußerst problematisch und scheidet nach reiflicher Überlegung ebenfalls aus. Getreu dem Motto „Hinfallen ist nicht schlimm, das Aufstehen ist entscheidend„, geht es eben nach jedem neuen Tiefschlag in die nächste Runde.

Erster Lichtblick
Dann, Ende Oktober ist es endlich soweit. Ich starte zu meinem voraussichtlich letzten Werkstattflug mit ungewissem Ausgang, aber wie immer voll guter Hoffnung auf Erfolg meiner vorherigen Aktivitäten. Nach kurzer Flugerprobung im unmittelbaren Platzbereich von Schärding bin ich davon überzeugt, dass der Nervenkrieg mit Motor und Vergaser endgültig Geschichte sein könnte. Zaghaft und erst einmal recht vorsichtig, schraube ich mich über Schärding in sichere Höhe und „taste“ mich dabei immer weiter weg vom Heimatplatz. Je weiter ich mich nach Norden Richtung Vilshofen orientierte, desto ruhiger wird mein Puls. Keine Unauffälligkeiten heute und auch keine abnormalen Motorgesänge von hinten, die meinen Puls erneut in die Höhe treiben könnten.

In sicherer Flug- und Gleithöhe liegt zuerst der Flugplatz Fürstenzell, dann der Flugplatz von Vilshofen vor mir. Immer besser kann ich mich auf das vor mir liegende Ziel Vilshofen konzentrieren, bis ich mich endlich bei „Vilshofen Info“ zur Landung anmelden kann. Es ist der 27. Oktober 2019, ein herbstlicher „Hammertag mit weiß-blauem Himmel – frühherbstliches Kaiserwetter sozusagen„. Ganz so, wie man es sich zu dieser Jahreszeit nur wünschen kann.

© 2020 UL-Motorsegelflug.de / So sah es beim Hinflug querab Passau im Osten noch aus – herbstliches Kaiserwetter vom Allerfeinsten
Nach der Landung kommt es am Tisch auf der Terrasse noch zu schönen Gesprächen mit einem Flieger aus Prag, sowie drei „fluginteressierten Fußgängern“ aus dem Vilshofener Umland. Und nach dem obligatorischen Cappuccino sowie einem großen Stück Vilshofener Käsekuchen, ist die Fliegerwelt nun endlich auch für mich wieder in Ordnung. Ich genieße ausgiebig den wundervollen Blick hinüber zu meinem Song, auf die dahinter ruhig dahinfließende Donau, sowie auf die ansprechende Altstadtkulisse von Vilshofen. Einfach immer wieder schön!

© 2020 UL-Motorsegelflug.de / D-MZKB vor imposanter Kulisse – die Altstadt von Vilshofen
Nach einem schönen und entspannten Rückflug bei weiterhin strahlendem Sonnenschein, kann ich das unerfreuliche Kapitel nicht enden wollender Motorprobleme endgültig abhaken. Obwohl, ganz so schnell will ich dann doch noch nicht in Jubelgesänge einstimmen und lieber noch einmal einen längeren Flug abwarten.

Der Abschiedsflug
Der bietet sich erneut ganz unerwartet bereits am 04. November, obwohl nach Meinung der Wetterfrösche bereits am frühen Nachmittag mit einer hereinziehenden Regenfront aus Nordwesten zu rechnen ist. Bei nur 10° C Außentemperatur und lockerer Bewölkung mit Sonnenschein, starte ich zum „Abschiedsflug mit meiner Kilo-Bravo“ noch einmal nach Vilshofen. Schon vor der Landung sind von Nordwesten verdächtig dunkle Regenwolken aufgezogen, so dass ich mich diesmal nicht länger als absolut notwendig in Vilshofen aufhalte. Ein kurzes Schwätzchen mit dem freundlichen Flugleiter vom Dienst auf dem Turm, dann verzupfe ich mich schleunigst wieder zurück zum Parkplatz und bereite den Rückflug nach Schärding vor. Wie insgeheim befürchtet, werde ich schon kurz nach dem Start, unter einer langgestreckten dunklen Wolke, von einem Regenschauer kalt erwischt, dem ich jedoch mit einem kleinen Linksschwenk Richtung Passau doch noch weitestgehend trocken entfliehen kann.

© 2020 UL-Motorsegelflug.de /  UL-Motorsegelflug.de / Erste Regentropfen prasseln auf die Haube – weiter mit leichtem Linksschwenk Richtung Passau
Der weitere Flug zurück nach Schärding verläuft erwartungsgemäß ohne Probleme. Der Motor schnurrt in allen Drehzahlbereichen wie ein zahmes und zufriedenes Kätzchen. Kein Kotzen, kein Motzen und auch kein unerwarteter Motorausfall auf freier Strecke. Flugvergnügen pur vom Allerfeinsten
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© 2020 UL-Motorsegelflug.de / So sah es beim Rückflug im Osten immer noch aus – ganz hinten die Bergkette „Bayrischer Wald“

© 2020 UL-Motorsegelflug.de / Beim Rückflug immer wieder schön zu sehen – Dreiflüssestadt Passau mit Altstadt und Dominsel
So muss Fliegen sein: „Zum Flugplatz fahren, Flieger aus dem Hänger ziehen, zusammenstecken, tanken, Outside-check, einsteigen, fliegen und den ganzen Flug in vollen Zügen einfach nur genießen. Landen, waschen, abrüsten und im Hänger verstauen, Hängerklappe schließen – fertig“. Davon habe ich die letzten beiden Flugsaisonen jeden Tag neu geträumt. Heute war dies endlich wieder Wirklichkeit geworden.

© 2020 UL-Motorsegelflug.de / rechter Queranflug Schärding 32
Trotz dieser beiden wunderbaren Flugtage treffe ich noch im Anflug auf Schärding die Entscheidung: Ich werde mich heute von meiner Kilo-Bravo trennen! Ein letztes Mal wasche und poliere ich sie liebevoll. Wehmut macht sich in mir breit, doch dann verstaue ich sie winterfest in ihrem Thermo-Hänger. Drei Luftentfeuchter sorgen in den kommenden Monaten dafür, dass das Klima während der Überwinterung im Hänger trocken bleibt.

Wer jetzt allerdings glaubt, demnächst meine Kilo-Bravo auf Helmuts UL-Seite als Schnäppchen-Angebot zu finden, den muss ich an dieser Stelle leider sehr enttäuschen. Die Ehe zwischen meiner Kilo-Bravo und mir ist mit der Abschlusslandung des letzten Fluges der Saison 2019 gerettet und wird 2020 natürlich liebevoll und leidenschaftlich fortgesetzt!

Schlussendlich hake ich die ganzen Elektrik-, Vergaser- und Motorprobleme ab unter dem Motto „Technisches Wissen aufgefrischt und jede Menge 2-Takter-Erfahrung neu dazu gewonnen„. Objektiv betrachtet habe ich durch die bunte Palette der zahlreichen Probleme, sowie den damit verbundenen Fachgesprächen und Diskussionen mit Christian Reuter und Peter Schneider, mein vor fast 60 Jahren in der Lehrzeit erworbenes 2-Takterwissen sehr erfolgreich aufgefrischt und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Danke Peter – danke Christian!

Fazit:
„Man kann so oft hinfallen wie man will, nur darf man nicht am Boden liegen bleiben sondern man muss immer wieder aufstehen und aus gemachten Fehlern lernen. Nach der Flugsaison ist vor der Flugsaison – und ich bin jetzt schon sehr gespannt, was die Saison 2020 bringt, die hoffentlich nicht all zu lange auf sich warten lässt.

Wie geht es websitemäßig weiter?
Jetzt, nachdem die gesamte Problempalette erfolgreich abgearbeitet ist und ich künftig wieder über schöne Flugerlebnisse berichten kann, wird es auf meiner neuen Website selbstverständlich auch wieder neue Blogs zum Lesen geben. Bei allen technischen Problemen, mit denen fast jeder von uns Song-Haltern in der einen oder anderen Weise in der Vergangenheit zu kämpfen hatte oder immer noch hat, bleibt der Song für mich ein fliegerisch perfektes Kleinflugzeug, bei dem der Flugspaßfaktor einen hohen Stellenwert einnimmt.
Aus diesem Grunde möchte ich auch in Zukunft vollkommen wertfrei über die bei meinem Song aufgetretenen Probleme berichten, damit der eine oder andere Halter vielleicht aus meinen Erfahrungen lernen und so eigenen Frust und Stress vielleicht vermeiden kann.

> Faltpropeller-Problematik und welche Konsequenzen habe ich für mich daraus gezogen
> Schwimmer- und Vergaserproblematik – was war los und welche Fehler lagen vor / wie konnten diese letztendlich behoben werden
> Stromschläge am Instrumentenbrett und am Rettungsgeräte-Auslösegriff / wie konnten diese abgestellt werden
> Hauptfahrwerksfederung – jetzt endlich butterweich / wie das, was war der Grund

Wahrscheinlich hatten viele meiner Website-Besucher damit gerechnet, in diesem Blog bereits Antworten auf obige Probleme und Fragen zu bekommen. Das ist jetzt mit Absicht nicht geschehen, da ich mir für jedes einzelne Thema entsprechend Zeit nehmen möchte, um darüber zu berichten. Wie bereits zuvor, so möchte ich auch diese Themen im Laufe der Winterpause und in meiner Rubrik „Share Your Experience„, nach altbewährtem Muster der Großfliegerei, sachlich und emotionsfrei abarbeiten, so dass jeder seinen persönlichen Nutzen daraus ziehen kann. Schließlich macht es keinen Sinn, dass jeder Halter jedes Problem leidvoll selbst durchleben muss.
Von anderen Haltern und ihren Erfahrungen lernen, das macht Sinn und das vermeidet oder reduziert persönlichen Frust. Wenn meine Berichte auch nur einem einzigen Kameraden helfen, das eine oder andere Problem selbst zu beheben, dann hat sich für mich der Zeitaufwand für die Erstellung des entsprechenden Artikels bereits gelohnt.

Mir ist bewusst, dass einige Halter im Moment sehr genervt sind und manch einer in der Flugsaison 2019 nur sehr wenig oder überhaupt nicht mit seinem Song geflogen ist. Ich möchte allen für 2020 wieder Mut machen, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern aufgeschlossen und mutig an Problemen so lange zu arbeiten, bis sie beseitigt sind. Dazu bedarf es allerdings auch eines offenen Dialogs und eines regen Erfahrungsaustausches, der jedoch in der Vergangenheit leider nur sehr zäh und schleppend, vielfach aber auch überhaupt nicht stattgefunden hat. Daran sollte jedoch dringend gearbeitet werden, ansonsten wurschtelt auch in Zukunft jeder alleine an seinen Problemen herum, oder verkauft irgendwann aus lauter Frust seinen Song, was in jüngster Vergangenheit wohl mehrfach der Fall gewesen ist.
Und obwohl ich Verständnis für eine solche Entscheidung habe, ist aus meiner Sicht jedoch ein „Frustverkauf“ auf jeden Fall die schlechteste Lösung der Probleme. Nicht aufgeben, nach dem Hinfallen immer wieder aufstehen, auch wenn es noch so schwer fallen mag. Irgendwann sind alle Probleme beseitigt und der neu erlangte Flugspaß mit dem Song entschädigt für ein möglicherweise durchlaufenes Jammertal. Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, dass ich niemals aufgegeben habe, obwohl ich oft mit meinem Latein ganz einfach am Ende war und kein Licht am Ende des Tunnels sehen konnte. Dafür scheint jetzt die Sonne wieder umso heller und meine letzten beiden Flüge haben mich für alles reichlich entschädigt.

Nachdem die technischen Probleme an meinem Song inzwischen gelöst sind und ich somit entspannt der neuen Saison entgegensehen kann, werde ich mich wieder mit Hochdruck der neuen Website widmen. Der Relaunch ist, wie man hier sehen kann, zwischenzeitlich auch geschafft, so dass die neue Flugsaison jetzt  schnell kommen kann.

Kommentare zum neuen Webdesign sind herzlich willkommen!

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